Anke Teesselink, Leiterin des Familiencafés am Sana, weiß aus Erfahrung, dass es vielen Eltern schwerfällt, einem kleinen Kind „Nein“ zu sagen. „Das Thema begleitet uns in unseren Familiencafés.“ Ich muss ja das ein oder andere verbieten, aber wie? Das eineinhalb Jahre junge Kind kann den rationalen Grund für ein „Nein“ ja noch gar nicht nachvollziehen. Und das wird noch lange so sein. Es braucht dafür nämlich ein Grundverständnis der Welt und des Miteinanders: Warum darf ich nicht mit dreckigen Schuhen auf den Sitz in der U-Bahn klettern? Warum muss ich jetzt ins Bett, wo ich doch spielen will?
Anke Teesselink möchte allen Eltern Tipps geben: Dieses Grundverständnis für das „Nein“ entwickelt sich in der mittleren Kindheit – ab dem dritten. bis zehnten Lebensjahr. Ab da werden die Kinder langsam „verständig“. Ein Kind kann auch die Gefühle einer anderen Person noch nicht nachvollziehen.
Die Kleinen üben diese Perspektivübernahme ab etwa drei, vier Jahren, zum Beispiel beim Spielen! Und sie werden darin von Jahr zu Jahr besser! Erst im späten Grundschulalter verstehen sie etwa komplexe Ironie. Und erst ab jetzt lohnt sich auch das Diskutieren. Dass ein Kind mit Protest, Wut, Tränen, Distanz reagiert, wenn es etwas nicht tun darf, ist absolut normal und erwartbar. Es versteht ja den Sinn des Verbots noch nicht! Natürlich ist es enttäuscht. Oder frustriert. Oder durcheinander – auf dem Sofa zuhause darf ich rumturnen und Papa freut sich, und hier in der U-Bahn auf einmal nicht?!
Heißt das, dass ein Kind keine Grenzen braucht? Damit das Zusammenleben gut klappt, braucht es manchmal ein “Ja” und manchmal ein “Nein”: Mattis, Du darfst auf den Sitz steigen, wir ziehen aber vorher die Schuhe aus. Paula, Du darfst den Schnuller zum Einschlafen gerne haben, zum Spielen brauchst du ihn nicht. Kurz: Wir geben Orientierung.
Wie kann ich einem Kind jetzt helfen? Ganz sicher nicht mit zusätzlichem Stress! Also selbst mit Frust, Zorn oder Angst reagieren. Denn dadurch wird ein Kind verunsichert: Huch, die Welt, in der ich lebe, ist unberechenbar! Meine Eltern sind manchmal so und manchmal so. Wenn ich nur mal auf den Sessel steigen will, um besser rausgucken zu können, ist auf einmal Alarm! Kleine Kinder brauchen das Gefühl, dass sie mit Menschen leben, die die Kontrolle haben, die sicher sind, in dem, was sie sagen und tun. Und das soll gelten, wenn Eltern “Ja” sagen, und das soll gelten, wenn sie “Nein” sagen. Sie sagen das “Nein” ja aus einem guten Grund. Das Kind soll spüren und im Gesicht der Eltern erkennen: Alles gut, so leben wir, das wird prima!
Kein Gefühls-Drama
Dem Kind helfen lange Erklärungen nicht. Dem älteren Kind und Jugendlichen dagegen umso mehr. Ausführliche Erklärungen, warum es das oder jenes nicht darf, dass es das doch bitte verstehen soll, die ganze Litanei können wir uns hier sparen und für später aufheben, das Kleinkind versteht das noch nicht. Es versteht noch nicht, dass Kerzen am Geburtstag ausgepustet werden, die Adventskerze aber nicht.
Und wie ist das mit dem Trösten? Sollen wir dem mit einem Nein konfrontierten Kind jetzt nicht seinen Frust „spiegeln“? Ihm „Worte geben“ für seine Gefühle? Sagen wir mal so: JEIN! Wir sollten Maß und Ziel kennen und bei einem “Nein” folgendes widerspiegeln: Du, es ist nicht schlimm, dass du das oder jenes nicht darfst! Nichts ist passiert, ich will nur nicht, dass du die Kerze auspustest. Kinder brauchen hier keine unendlichen Wort-Arien und auch kein großes Gefühls-Drama. Denn es ist ja meist nichts Schlimmes und schon gar keine Katastrophe passiert! Wir Eltern dürfen gerne MIT dem Kind empfinden, aber wir müssen nicht gleich IN unserem Kind sein.
Zum Schluss die gute Nachricht: Kinder werden all das lernen! Die Haltung sollte sein: Das ist jetzt der richtige Weg, so machen wir das hier. Du, mein Kind, musst das nicht verstehen. Mir ist es aber wichtig! Damit signalisieren die Eltern ein “Nein” in einer bejahenden Haltung.
Diese Überlegungen und Tipps von Anke Teesselink basieren auf dem Text von Herbert Renz-Polster, Blog: Kinder verstehen www.kinder-verstehen.de