Sei vorsichtig! Aber bei was denn überhaupt?

Das Draußen ruft, Große und Kleine wollen raus, die Welt entdecken, sich bewegen, austoben und ausprobieren. Gut so! Aber da ist auch unsere Umwelt (drinnen und draußen) mit all ihren Gefahren, Hindernissen und Tücken. Sei es die Kante am Tisch, die Treppe, die Tür zum Fingerchen einklemmen, die Herdplatte, alle möglichen Stolpersteine, Klettermöglichkeiten, Straßenverkehr, Wasserkanten und und und… die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Wer kennt es nicht, den Schreckmoment, wo einem als Mama oder Papa (Oma oder Opa…) kurz die Luft wegzubleiben scheint, weil unser Kind (Enkelkind oder andere anvertraute Kinder) sich gerade einer potenziellen Gefahr nähert und wir schon das Schlimmste befürchten. Häufig rufen wir dann „Sei vorsichtig!“ oder „Pass auf!“ oder auch ähnliches, weil wir unseren lieben Menschen vor Schaden bewahren wollen. Aber weiß ein Kind eigentlich was gemeint ist? Nun, ältere Kinder wissen sicherlich etwas damit anzufangen, wenn sie schon verschiedene Situationen erlebt haben und von ihren Bezugspersonen begleitet wurden. Aber damit kommen sie nicht auf die Welt.

Wie begleiten wir unsere Kinder so, dass wir unserer Aufgabe als beschützende erwachsene Person gerecht werden und das Kind in seinem Drang die Welt zu entdecken unterstützen?

Kinder haben von Anfang an das Bedürfnis, sich zu entwickeln, ihre Fähigkeiten auszubauen und zu erproben. Das ist sozusagen ihr Job! Am Anfang müssen sie ihren Körper kennenlernen, ihre Bedürfnisse und Grenzen kennenlernen. Sie setzen sich auseinander mit Fortbewegung, Sprache und Handlungsmöglichkeiten. Sie müssen sich in vielfältigen Situationen selbst erproben, um zu lernen. Wir können ihnen nicht theoretisch näherbringen, dass sie den sicheren Halt loslassen müssen, um frei zu laufen! Manchmal tun sie sich dabei auch etwas weh.

Die Aufgabe des Erwachsenen ist da nicht, alle Gefahren von dem Kind abzuhalten (auch wenn wir das so gerne würden!), sondern es feinfühlig dabei zu begleiten seine Erfahrungen zu machen und ihm gerade genug Rückhalt und Unterstützung zu geben, um es vor ernsthaften Verletzungen zu schützen. Die „kleine Beule“ nach einem missglückten Versuch das Sofa zu erklettern liebevoll getröstet, bringt die Erkenntnis „das war etwas riskant“, aber auch „ich werde sicher getröstet!“. Begleiten wir das Kind nun in der Situation wiederholt und zeigen ihm wie es sich festhalten soll, beginnt es sicherer in seinem Handeln zu werden und beginnt zu verstehen. Ein Einfaches „sei vorsichtig“ würde es noch nicht verstehen können.

Wichtig ist, dass wir unseren Kindern nicht das Gefühl vermitteln, die ganze Welt sei gefährlich und damit ihren natürlichen Entwicklungsdrang einschränken. Hier können wir mit unserer Sprache viel verändern, indem wir nicht pauschal sei vorsichtig rufen, sondern konkret in der Situation anregen, was angemessen ist. Zum Beispiel beim Klettern auf dem Klettergerüst: „halte dich gut fest“ oder „gib mir eine Hand“.

Wichtig und gleichzeitig richtig schwierig ist hier, das zu benennen was das Kind tun soll. Z. B. wenn es nicht so schnell rennen soll, „Laufe bitte langsamer!“ zu sagen anstatt „nicht rennen!“. Denn kleine Kinder haben noch kein Verständnis für „nicht“. Sie nehmen in dem Fall nur „rennen“ war. Leider sind die meisten von uns es einfach so gewohnt, dass zu benennen was nicht getan werden soll. Da ist es am Anfang eine echte Herausforderung seine Sprache zu verändern. Aber es lohnt sich. Probiert es einmal aus!

Je größer die Kinder werden, umso mehr ist es möglich potenzielle Gefahrensituationen auch vorher zu besprechen. Z.B. vor dem Spielplatzbesuch konkret zu überlegen wie es denn heute alleine vom Klettergerüst herunterkommen kann. Oder auch immer wieder die Aufmerksamkeit schulen, indem man gemeinsam die Umwelt beobachtet. Wie schnell sind Autos und Fahrräder und die Straßenbahn. Da fällt euch sicherlich noch vieles ein!

Eine gute „Trockenübung“ dazu ist übrigens das Anschauen von Bilderbüchern in denen viele Situationen des alltäglichen Lebens abgebildet sind, wie zum Beispiel Wimmelbücher! Schon 1,5 bis 2-Jährige entdecken hier Situationen aus ihrer Lebenswirklichkeit. In angstfreier Situation können wir Großen hier gefährliche Szenen benennen und Lösungsmöglichkeiten nennen.

Speziell zum Verhalten im Straßenverkehr bietet „Ampel, Straße und Verkehr“ aus der Junior-Reihe von Wieso, weshalb, warum? jede Menge Gesprächsanregungen.

Also viel Freude bei der Entdeckung der Welt mit euren Kindern!

Lass dich nicht unterkriegen. Seid frech, wild und wunderbar! (vermutlich Astrid Lindgren)

Nach oben scrollen