Man mag meinen, so wie oft geschrieben, der Weltfrauentag sei ein Feiertag, an dem wir Frauen ehren, die einst für ihre Rechte kämpften. Doch ein Blick auf das Weltgeschehen reicht, um zu erkennen: Dieser sogenannte Frauenkampf ist längst nicht vorbei. Noch immer bestehen weltweit vorherrschende Strukturen und Gesetze, die Frauen den Zugang zu ökonomischen Ressourcen und Rechten erschweren und damit ein Leben in Selbstbestimmung und Sicherheit.
Am Internationalen Frauentag zeigen wir unsere Solidarität mit denen, die noch heute teils unter Existenzbedrohung für Frauenrechte kämpfen. Doch eigentlich war das nie nur ein Kampf für Frauen. Denn kämpfen wir für Frauenrechte, dann kämpfen wir für Menschenrechte. Und es ist in dem Grad der erreichten Globalisierung kein Kampf nur mehr in den eigenen Ländergrenzen.
Dieser Kampf, unsere Solidarisierung beginnt mit der Reflexion unserer eigenen Haltung und unserem täglichen Tun und ist natürlich nicht auf diesen einen Tag begrenzt.
So lädt uns das diesjährige Motto #BreakTheBias dazu ein, uns eine geschlechtergerechte Welt vorzustellen, „eine Welt frei von Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung. Eine Welt, die vielfältig, gerecht und inklusiv ist. Eine Welt, in der Unterschiede geschätzt und gefeiert werden.“
Internationaler Frauentag 2022 (internationalwomensday.com)
„Lass Dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“
(Astrid Lindgren)
Nun, was bedeutet Gendergerechtigkeit derzeit in Deutschland?
Aktuell liegt der sogenannte Gender Pay Gap, die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, bei 18%. Im Schnitt liegt der Bruttostundenverdienst von Frauen damit um fast ein Fünftel unter dem von Männern. Wenn man Faktoren wie Berufswahl, Qualifikation, Bildungsstand, Branche, Arbeitserfahrung und Arbeitsumfang aus der Berechnung herausnimmt und damit die tatsächliche Lohndiskriminierung erhält, bleibt ein bereinigter Gender Pay Gap von 6 % bestehen.
Warum Frauen also schlechter verdienen, liegt vor allem daran, dass sie in Branchen mit niedrigerem Lohnniveau arbeiten, in sogenannten Frauendomänen wie z. B. in der Kinder-, Kranken- und Altenpflege oder im Einzelhandel.Auch übernehmen Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit, kümmern sich um die Erziehung und Betreuung der Kinder, die Pflege der Familienangehörigen und die Haushaltsführung und arbeiten daher auch oft in Teilzeit oder auf geringfügiger Basis. Ein „Zuverdienermodell“, den das deutsche Steuerrecht mit steuerlichen Vorteilen durch das Ehegattensplitting geradezu zu unterstützen wollen scheint. Wenn man bedenkt, dass Männer in lohnstärkeren Branchen arbeiten, ist diese Arbeitsaufteilung durchaus eine legitime Familienentscheidung. Doch was bedeutet das für Frauen?
Die Kombination aus Arbeit in lohnschwachen Sektoren und die oft durch die Übernahme der lohnfreien Care-Arbeit bedingte Teilzeit-Arbeit lässt Frauen leicht in finanzielle Abhängigkeit geraten. Im OECD-Ländervergleich sind Frauen in Deutschland mit einem Abstand von 46% (!) von der größten Geschlechter-Rentenlücke betroffen. Folglich sind Frauen in Deutschland häufiger von Armut betroffen als Männer, sei es als alleinerziehende Mutter (vgl. auch Nationale Armutskonferenz) oder als Dame im wohlverdienten Rentenalter.
In dieser thematischen Auseinandersetzung sollte es nicht nur darum gehen, dass Frauen gelehrt werden und lernen sollten, bessere Gehaltsverhandlungen zu führen oder schlicht andere Berufe ergreifen sollten. Der Diskurs sollte auch nicht nur dahin führen, dass beide Elternteile in Vollzeit arbeiten und bereits sehr kleine Kinder fremdbetreut werden. Es sollte vielmehr auch darum gehen, die gesellschaftlichen Vorstellungen grundsätzlich zu überprüfen. Die hauptsächlich von Frauen ausgeübten Berufe und Care-Arbeit sind für jede*n von uns von Bedeutung und für unsere Gesellschaft systemrelevant. Welchen Wert lassen wir ihnen als Gemeinschaft also zukommen, nicht nur mit angemessener Wertschätzung, sondern auch mit einer angemessenen Entlohnung und Absicherung? Wirken vielleicht noch geschichtlich veraltete Strukturen und Rollenvorstellungen mit, dass die Entlohnung in diesen Berufen oftmals nicht ausreichen, um ein eigenständig abgesichertes Leben zu führen? Unter welchen Bedingungen könnte Care-Arbeit gerechter unter den Geschlechtern aufgeteilt werden und Väter dadurch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen? Vielleicht dürfen wir als Gemeinschaft an solchen Stellen größer denken und ja, feministischer.
„Wir müssen uns fragen: Machen wir eigentlich unbewusst Muster mit, die wir gar nicht mittragen wollen? Ist es nicht auch meine Verantwortung, die Gesellschaft zu verändern?“
Teresa Bücker im Podcast “Kasia trifft…”
Mit dieser Fragestellung sollten wir uns in unserem Alltag immer wieder reflektieren, ertappen und korrigieren: Reproduzieren wir selbst unbewusste Diskriminierungen? Was soll genderneutrale Erziehung bewirken? Welche Werte und Rollenbilder leben wir unseren Kindern vor? Welchen Wert gebe ich meinen Leistungen, wenn ich nicht außer Haus arbeite? Wie und mit welcher Souveränität antworte ich als Full-Time-Mutter auf die Frage „Arbeitest du?“
Wenn wir Feminismus verstehen als das Streben nach einer Welt, in der alle die gleichen Chancen und Rechte haben, dann ist auch Deutschland noch nicht am goldenen Ziel angekommen. Man staunt, wie jung manche Errungenschaften und Auseinandersetzungen noch sind:
Erst im Jahr 2016 wurde das Sexualstrafrecht reformiert und ein gesprochenes Nein der Frau hat eine rechtliche Gültigkeit erhalten. Erst seit 2017 dürfen homosexuelle Paare ganz offiziell den Bund des Lebens eingehen. Anfang 2018 hatten von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen lediglich 143 die Gleichstellung der Geschlechter in ihre Verfassung aufgenommen. Erst seit 2022 werden Menstruationsartikel nicht mehr als Luxusartikel besteuert und in den Lehrbüchern dreier großer Verlage eine vollständige Klitoris abgebildet. Erst vor wenigen Jahren wurde angefangen, über Gender Data Gap zu sprechen und wir erkennen, dass in so ziemlich allen Lebensbereichen Bedingungen auf Basis männlich bezogener Daten und Bedürfnisse geschaffen wurden.
Also, nein: Der Internationale Frauentag ist noch kein reiner Gedenk- und Feiertag, auch nicht in Deutschland. Es ist ein Tag, an dem wir alle daran erinnert werden, unsere Haltung und unser Tun zu reflektieren, uns in den Schuhen der anderen vorzustellen, uns Diskursen zu stellen und gesellschaftliche, politische und institutionelle Strukturen zu hinterfragen. Es ist ein Tag, an dem wir über unsere Generations- und Ländergrenzen hinausblicken und im Blick aufeinander Kraft tanken für die nächsten Schritte hin zum goldenen Ziel: Eine Welt ohne Diskriminierung.
Angebote zum Weltfrauentag in unseren Familiencafés
Familiencafé am Sana
Im Familiencafé am Sana wurden für die bereits angemeldeten Mütter der Spielgruppe eine Wohlfühl- und Entspannungs- Einheit angeboten. Bestehend aus einer von meditativen Klängen begleiteten, fünfzehnminütigen Yoga-Einheit. Währenddessen wurden die Kinder betreut, damit die Mütter ungestört an der Yoga–Einheit teilnehmen konnten. Abgerundet wurde der Wohlfühltag durch entspannende Tee-Mischungen.
- Welche inneren Ressourcen hast Du in Dir als Mutter?
- Welche äußeren Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten anderer Personen oder Dienstleister gibt es?
Für den bleibenden Eindruck durften die Müttern etwas Yogi Tee und eine (Duft-) Kerze, gebunden an eine kleine Aufzählung schriftlicher Tipps im Sinne von „Selfcare“ mit nach Hause nehmen. Danach waren die Mitarbeiterinnen vom Familiencafé am Sana noch in Gerresheim unterwegs und hatten kleine Aufmerksamkeiten für Mütter dabei.
Familiencafé BLAUER ELEFANT
Im Familiencafé BLAUER ELEFABR stand alles unter dem Motto „Just Be – Achtsamkeit am Weltfrauentag“. Gemeinsam mit den Müttern der Spielgruppe wurde ein Gesichtspeeling hergestellt. Jede Mutter erhielt anschließend in einem hübschen Glas das selbst hergestellte Peeling, das passende Rezept, die Geschichte, ein paar Tipps zur „Qualität statt Quantität-Time “, sowie einen Beutel Entspannungstee mit nach Hause.
Gleichzeitig wurden Aufmerksamkeiten unter anderem mit dem Peeling-Rezept an Frauen und Mütter verteilt.
Familiencafé am EVK
Während die Mütter in gemütlicher Atmosphäre und unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen gemeinsam ein pflegendes Handpeeling zum Mitnehmen hergestellt, stand das Motto des Frauentags im Mittelpunkt der Gespräche.
Und wir feiern auch die Frauen, die uns vorangegangen sind: Unter den Besucher*innen verlosen wir aus der Reihe Little People, Big Dreams das Kinderbuch über Harriet Trubman –gestiftet vom BiBaBuZe Buchhandlung – Literatur & Politik, Bücher, Bio-Wein, fair gehandelter Kaffee, Lesungen, Konzerte und Ausstellungen in Düsseldorf Bilk
Am Nachmittag war auch das Familiencafé am EVK in den Stadtteilen Unterbilk und Bilk unterwegs. Ausgestattet waren unsere Mitarbeiterinnen mit einer kleinen Aufmerksamkeit für alle Mütter im Sinne einer guten Selbstfürsorge gesponsort von unserem Unterstützer dm in der Bilker Allee 43 – wir bedanken uns herzlich für die treue Spendenbereitschaft!
Büchertipps für Kinder
Good Night Stories for Rebel Girls: 100 außergewöhnliche Frauen, Band 1 und 2
Kinderbuchreihe Little People. Big Dreams
Quellen und weiterführende Links, Medien- und Büchertipps
Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau.
Mithu M. Sanyal, Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts.
Caroline Criado-Perez, Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert.
Carolin Kebekus, Es kann nur eine geben.
Marta Breen, Jenny Jordahl, Rebellische Frauen – Women in Battle: 150 Jahre Kampf für Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit. Graphic Novel
https://taz.de/Biolehrerin-ueber-veraltete-Schulbuecher/!5830756/
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/328076/8-maerz-weltfrauentag/
https://www.emotion.de/gesellschaft/weltfrauentag
Podcast von Teresa Bücker, “Kasia trifft…”
Feministinnen: Was haben sie sich gedacht?, Dokumentarfilm, Netflix.